Bayern ist Schlusslicht!

21. Juli 2019

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DGB-Kreisvorsitzender Manuel Wagner (li.) und IG Metall-Nebenstellenleiter Johannes Hof-meister (re.) bedankten sich bei DGB-Sekretärin Anja Wessely (mi.) für den aufschlussreichen Vortrag zu Tarifbindung und Tarifflucht in Bayern.

DGB und IG Metall informierten zur Tarifbindung in Bayern

Dingolfing.
"Bayern bildet aktuell bei einer Tarifbindung von 53 Prozent der Beschäftigten das Schlusslicht der westdeutschen Bundesländer. In der Mehrzahl der westdeutschen Bundesländer werden nach wie vor um die 60 Prozent aller Beschäftigten durch Tarifverträge erfasst. Die ostdeutschen Bundesländer liegen deutlich darunter", dies stellte DGB-Sekretärin Anja Wessely aus Landshut bei ihrem Vortrag zum Thema "Tarifbindung und Tarifflucht in Bayern" gestern im Gasthof Postbräu in Dingolfing fest. Eingeladen hatten dazu der DGB-Kreisverband Dingolfing-Landau mit Vorsitzendem Manuel Wagner und die IG Metall in Dingolfing mit Vorsitzendem Johannes Hofmeister. Wagner und Hofmeister freuten sich über den zahlreichen Besuch, trotz der Sommerhitze - darunter SPD-Kreisrat und SPD-Kreisvorsitzender Dr. Bernd Vilsmeier, ver.di-Ortsvorsitzender Karl-Heinz Unfried, den ehemaligen DGB-Kreisvorsitzenden Sepp Menrath und die DGB-Kreisvorstandsmitglieder Gottfried Aufleger, Klaus Albrecht und Sepp Zirngibl.

Bereits 1904 empfahl die damalige bayerische Regierung den Behörden, Druckaufträge nur an tariftreue Druckereien zu vergeben, so Wessely. In der Verfassung des Freistaates Bayern von 1946 ist in Artikel 169 geregelt: „Die Gesamtvereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden über das Arbeitsverhältnis sind für die Verbandsangehörigen verpflichtend und können, wenn es das Gesamtinteresse erfordert, für allgemein verbindlich erklärt werden.“ Schon seit über 100 Jahren ist klar, dass Schmutzkonkurrenz und tarifliche Unterbietungswettbewerbe zu Lasten der Beschäftigten Probleme sind, die nur mit Tarifverträgen und deren Allgemeinverbindlichkeit behoben werden können. Jahrzehntelang waren sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in Bayern einig, dass eine hohe Tarifbindung in den Branchen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle schafft. Das aber hat sich geändert, so Wessely. Seit Ende der 90er Jahre geht die Tarifbindung der bayerischen Beschäftigten drastisch zurück.

Deutschland und auch Bayern weisen im internationalen Vergleich keine besonders hohe Tarifbindung auf, erklärte Wessely. Viele europäische Länder haben eine Tarifbindung von 70 Prozent und mehr. In Österreich beträgt die Tarifbindung dank der Pflichtmitgliedschaft der Arbeitgeber in den Wirtschaftskammern sogar 98 Prozent. Die Tarifbindung der Beschäftigten in Bayern reicht von 21 Prozent im Gastgewerbe bis zu 100 Prozent in der öffentlichen Verwaltung. Je größer der Betrieb, desto höher im Schnitt die Tarifbindung. Regional variiert die Tarifbindung zwischen knapp 44 Prozent in Unterfranken und fast 61 Prozent in der Oberpfalz - Niederbayern ist vorletzter mit 46 Prozent.

Frauen haben mit 51 Prozent eine geringere Tarifbindung als Männer mit 55 Prozent. Die Tarifbindung geringfügig Beschäftigter liegt mit knapp 32 Prozent deutlich unter der von Teilzeitbeschäftigten mit knapp 48 Prozent und der von Vollzeitbeschäftigten mit gut 56 Prozent. Wie im Bundesgebiet insgesamt ist auch in Bayern die Tarifbindung der Beschäftigten seit Mitte der 1990er Jahre zurückgegangen. Allerdings fiel der Rückgang in der Tarifbindung im Freistaat noch deutlich stärker aus als im westdeutschen Durchschnitt, erklärte Wessely. Aufgrund der günstigeren Wirtschaftsstruktur (Branchenzusammensetzung, Betriebsgröße) müsste die Tarifbindung in Bayern eigentlich höher sein als in Westdeutschland. Tatsächlich war in den Jahren 2010 bis 2016 die Wahrscheinlichkeit, dass ein bayerischer Betrieb tarifgebunden ist, aber um beachtliche 16 Prozent geringer als die für einen vergleichbaren Betrieb im Rest der alten Bundesrepublik, so das Fazit von DGB-Sekretärin Wessly.

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