Wilhelm Hoegner - Vater der Bayerischen Verfassung

30. November 2021

Hoegner
Der Vater der Bayerischen Verfassung - Dr. Wilhelm Hoegner (1887 - 1980): Bayerischer Ministerpräsident (1945 - 1946, 1954 - 1957), Bay. Justiz- und Innenminister, Reichs- (1930 - 1933) und Bay. Landtagsabgeordneter (1924 - 1930 und 1946 - 1970), Bay. SPD-Landesvorsitzender (1946 - 1947). (Quelle: bayern.de)

Kreis-SPD erinnert an 75 Jahre wieder Demokratie in Bayern

Dingolfing-Landau.
Vor 75 Jahren, am 1. Dezember 1946, stimmten die Bayerischen Wähler:innen in einer Volksabstimmung mit 70,6 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 75,7 Prozent der neuen demokratischen Verfassung des Freistaates Bayern zu. Damit konnte Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner (SPD) die Verfassungsurkunde am 2. Dezember 1946 ausfertigen. Die neue Verfassung des Freistaates Bayern trat am 8. Dezember 1946 mit ihrer Veröffentlichung im bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft, erinnert SPD-Kreisvorsitzender Dr. Bernd Vilsmeier.

Der damalige Bayerische Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner hatte maßgeblichen Anteil an der Entstehung dieser neuen demokratischen Verfassung für Bayern, erklärt Vilsmeier. Die erste demokratische so genannte "Bamberger Verfassung" des Freistaates Bayern von 1919 wurde am 29. April 1933 mit der Zustimmung aller Parteien zum Ermächtigungsgesetz in Bayern - außer den 16 sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten, darunter Dr. Hoegner - außer Kraft gesetzt und der NS-Terror bekam auch in Bayern eine Schein-Legitimität.

Schon kurz nach dem Ermächtigungsgesetz war auch Wilhelm Hoegner, wie viele Bayerische Sozialdemokrat:innen, gezwungen, seine Heimat zu verlassen, weil er um Leib und Leben fürchten musste. Über Tirol flüchtete er in die Schweiz. Dort im Exil erarbeitete er Entwürfe für Verfassungen für ein föderales Deutschland und auch für Bayern. Diese hatte er sprichwörtlich bereits in der Tasche als er im Juni 1945 nach Bayern zurückkam. Von September 1945 bis zu den Landtagswahlen im Dezember 1946 war er Bayerischer Ministerpräsident, eingesetzt von der US-amerikanischen Militärverwaltung in der US-Besatzungszone. Und von März bis Juni 1946 war er Vorsitzender des Vorbereitenden Verfassungsausschusses, von Juni bis November 1946 Mitglied der Verfassungsgebenden Nationalversammlung. Somit kann Dr. Wilhelm Hoegner mit Fug und Recht als „Vater“ der Bayerischen Verfassung von 1946 bezeichnet werden, macht Vilsmeier klar. Schon der Gründer des Freistaates Bayern war ein Sozialdemokrat. Kurt Eisner rief den Freistaat Bayern am 08. November 1918 im Münchener Mathäserbräu aus. Mit der Ausrufung des Freistaates Bayern und der Bayerischen Verfassung haben wir Sozialdemokraten unserer Bayerischen Heimat mehr als deutlich den Stempel aufgedrückt, macht Vilsmeier deutlich. Wenn auch die CSU den Nimbus verbreitet für alles „Bayerische „ zu stehen, so schlagen, übrigens wie bei allen Menschen, die Herzen links. Auch wir Sozis lieben unsere Heimat und leben gerne hier, so Vilsmeier.

Jedenfalls hatten die Bayern in den Jahren 1945 und 1946 wahrlich andere Probleme, als an eine Verfassung zu denken. Es herrschte Hunger, Not, Obdachlosigkeit und Elend, nach dem „totalen Untergang“. Wir kennen alle die schrecklichen Daten: 55 Mio. Tote im II. Weltkrieg, Völkermord an 7 Mio. Juden, Sinti und Roma, Millionen von Verwundeten, an die 10 Mio. Flüchtlinge, zerstörte Städte, die Spaltung Deutschlands. Vor diesem Hintergrund weiß man erst die Tatkraft von Wilhelm Hoegner zu schätzen, erklärt Vilsmeier.

Die wesentlichen Inhalte der Bayerischen Verfassung sind: Bayern ist ein Freistaat, ein Volksstaat, ein Rechtsstaat, ein Kulturstaat und ein Sozialstaat. Dazu nennt die Verfassung eine Reihe von Grundrechten. Damit gilt die Bayerische Verfassung als die menschenfreundlichste der Welt. Und sie wurde am 1. Dezember 1946 mit einer Mehrheit von mehr als 70 % vom Souverän selbst, dem Bayerischen Volk, angenommen.

Gegenüber dem Deutschen Grundgesetz hat die Bayerische Verfassung folgende Vorzüge: Sie ist vom Volk beschlossen, enthält starke Elemente direkter Demokratie, nennt viele Verfassungsziele und Staatsaufgaben, beschreibt ein ganz besonderes Recht im Art. 141 (3), den „Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur“ (despektierlich als "Schwammerlparagraph" bezeichnet), gibt den Kommunen eine starke Stellung, ermöglicht die Popularklage für jedermann beim Bayersichen Verfassungsgerichtshof und ist nur per Volksabstimmung zu ändern.

Die Bayerische Verfassung atmet sozusagen sozialdemokratische Traditionen und Werte, so Vilsmeier. Deshalb haben sie die Konservativen nie gemocht. Sie wird verbogen, vergessen und verraten, wenn sie nicht ins politische Kalkül passt. So werden viele Verfassungssätze als bloße Programmsätze gedeutet, aber nicht als geltendes Recht. Trotzdem! Es lohnt sich ab und zu mal wieder in die Bayerische Verfassung hineinzuschauen - jeder Schüler muss eine bekommen, so steht’s übrigens auch in der Verfassung.

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