Keine Experimente auf Kosten der Arbeitnehmer

17. November 2021

DGB-Kreisvorstand diskutierte über Ampelverhandlungen

Dingolfing-Landau.
"Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!", forderte der Vorsitzende des Kreisverbandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Manuel Wagner bei der Sitzung des DGB-Kreisvorstandes Dingolfing-Landau am vergangenen Montag. Aufgrund der Corona-Inzidenzlage tagte der DGB online, da dies technisch ohne Weiteres organisierbar war. Mit dabei neben den DGB-Kreisvorstandsmitgliedern aus den DGB-Gewerkschaften war die zuständige DGB-Organisationssekretärin Anja Wessely aus Landshut.

Auf Grundlage des Ampel-Sondierungspapiers von SPD, FDP und Grünen wollen die Parteien künftig eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies vorsehen. "Der DGB lehnt eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes ab", betonte Wagner, "neben den Arbeitgebern wünschen sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Flexibilität, doch das letzte, was wir brauchen, sind Experimente auf Kosten der Arbeitnehmer." Das Arbeitszeitgesetz ist elementar für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Überlange Arbeitszeiten und zu geringe Ruhezeiten sind ein Gesundheitsrisiko. "Mit der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer experimentiert man nicht!", so Wagner, "dort, wo Flexibilisierungen erforderlich sind, haben Arbeitgeber und Gewerkschaften immer gute Lösungen in ihren Tarifverträgen gefunden."

Die Umsetzung des EuGH-Urteils zur Verpflichtung der Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung wäre zudem längst überfällig. Eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass Beschäftigte besonders unter Überstunden und Stress leiden, wenn die Arbeitszeiterfassung nicht geregelt ist. Statt einer weiteren Flexibilisierung, braucht es ein starkes Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz sowie eine verbindlich geregelte Arbeitszeiterfassung, so das Fazit der Wissenschaftler.

Ein weiterer Punkt war die wieder aufkommende Diskussion um eine Trennung von Betrieb und Schiene bei der Deutschen Bahn, besonders von Seiten der FDP und den Grünen. "Hier ist Vorsicht an der Bahnsteigkante geboten", so DGB-Kreisvorstandsmitglied Peter Hirmer, "denn der Blick nach Europa zeigt, wie fatal solche Heilsversprechen sind. So haben Großbritannien und Frankreich eine mehr oder weniger starke Trennung von Netz und Betrieb durchgeführt. Inzwischen gab es dort die "Rolle rückwärts", weil die Qualitäts- und Kostenprobleme so riesig waren."

Nachweislich erfolgreiche Eisenbahnländer dagegen, wie zum Beispiel die Schweiz, Österreich oder Japan, wo Pünktlichkeit und Angebot auf der Schiene auch von den Trennungsbefürwortern als beispielhaft gelobt werden, setzen alle auf ein integriertes System, in dem Betrieb und Netz in der Hand eines Unternehmens sind. "Das System Schiene ist komplex und einzelne Tätigkeiten im Betriebsablauf sind stark voneinander abhängig. Auf deutschen Schienenwegen fahren täglich rund 45.000 Züge. Das kann nur funktionieren, wenn die Bereiche kompetent und vertrauensvoll zusammenarbeiten", so Hirmer, "Wir brauchen daher nicht „mehr Wettbewerb auf der Schiene“ durch eine Zerschlagung der Deutschen Bahn, sondern eine Stärkung der Schiene im Wettbewerb mit der Straße!" Dazu braucht es eine effektive Zusammenarbeit für Qualität, Sicherheit und notwendige Innovationen auf der Schiene in einem System mit integriertem Konzern.

Das Thema "bessere Tarifbindung" brachte DGB-Kreisvorstandsmitglied Bernd Vilsmeier aufs Tableau: "Eine höhere Tarifbindung ist nicht nur wichtig, weil dann mehr Menschen von guten Löhnen und Arbeitsbedingungen profitieren." Sie ist auch gesamtwirtschaftlich geboten, weil zunehmende Tarifflucht und Lohndumping die Allgemeinheit jedes Jahr viele Milliarden kosten. Dies zeigt der aktuelle DGB-Tariffluchtatlas. So betragen die Steuerverluste für die öffentliche Hand etwa 18 Milliarden, für die Sozialversicherungen fast 30 Milliarden und für die Beschäftigten sogar knapp 42 Milliarden Euro - wohlgemerkt pro Jahr! "Die Tarifbindung zu stärken, gehört mit zu den dringendsten Aufgaben der nächsten Bundesregierung", so Vilsmeier.

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