Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!

04. Juli 2023

230430_Erlau
SPD-Kreisvorsitzender Dr. Bernd Vilsmeier erinnerte bei der KZ-Gedenkstätte Ganacker-Erlau an den Mut und die Tapferkeit der 16 SPD-Landtagsabgeordneten, die sich am 29. April 1933 allein gegen die Nazis stellten.

SPD erinnert an Widerstand gegen die Nazis in Bayern

Wallersdorf.
"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!", mit diesen Worten begründete der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Otto Wels die Ablehnung des von den Nazis eingereichten Ermächtigungsgesetzes am 23. März 1933 im Berliner Reichstag.
2023 können und müssen wir an viele historische und politische Ereignisse der deutschen Geschichte erinnern. Es jährte sich zum 90. Mal und zwar am 29. April der Tag an dem der Bayerische Landtag 1933 mit großer Mehrheit dem so genannten Ermächtigungsgesetz zugestimmt hat - außer den Sozialdemokraten. Einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zum katastrophalen Untergang unseres Vaterlandes 1945. Daran erinnerte der SPD-Kreisverband mit seinem Vorsitzenden Dr. Bernd Vilsmeier und der SPD-Ortsverein Wallersdorf mit seinem Vorsitzenden Georg Wintersperger bei der gemeinsamen traditionellen SPD-Gedenkfeier am Sonntag Abend an der Gedenkstätte der Opfer des KZ-Außenlagers Ganacker-Erlau bei Wallersdorf.

Dazu begrüßte der SPD-Kreisvorsitzende und SPD-Kreisrat Dr. Bernd Vilsmeier den örtlichen Pfarrer Thomas Hösl, Alt-Landrat Heinrich Trapp, die SPD-Markträte aus Wallersdorf Georg Wintersperger und Herbert Felllinger, der ehemalige Kreis- und Marktrat und Zeitzeuge Alfred Zehentmeier, dazu Vertreter der SPD-Ortsvereine in Dingolfing-Landau, darunter Wallersdorf, Landau, Reisbach, Teisbach, Steinberg, Simbach, und örtliche Gäste.

In seiner Ansprache erklärte Dr. Vilsmeier, dass demokratische Gesellschaften immer auch Erinnerungsgemeinschaften sind. Wir brauchen den Bezug zu unserer Vergangenheit und die Erinnerung an unsere Geschichte, um unsere Gegenwart zu verstehen und die Zukunft in humaner Weise zu gestalten.

2023 ist auch ein Jahr wichtiger politischer Entscheidungen mit den Landtagswahlen im Oktober in Bayern. Bei Wahlen geht es immer auch um politische Deutungsmacht, um die Frage wer und was dem Land gut tut und wer Vertrauen verdient. Wir Sozialdemokraten fügen all den aktuellen Themen immer auch eine geschichtliche Dimension hinzu: Wir sind die älteste und traditionsreichste Partei Bayerns und Deutschlands, die mehr für unser Land getan hat als jede andere Partei. Dieser Anspruch hat sich am 29. April 1933 noch mehr bewahrheitet, als an allen anderen Tagen. Wann hätte man als Abgeordneter jemals mehr für Bayern tun können als an jenem Tag, so Vilsmeier bei seiner Ansprache.

Denn an jenem Tag ging es um die vollständige Machtergreifung Hitlers, der nur noch eine pseudodemokratische Scheinlegitimation gegeben werden sollte. Es ging um den Untergang der Länder, des Föderalismus und das Ende des Freistaates Bayern. In dieser historischen Stunde am 29. April 1933 traten 100 Abgeordnete des Bayerischen Landtages zusammen, um über das „Gesetz zur Behebung der Not des bayerischen Volkes und Staates“ – wie es zynisch genannt wurde – zu befinden. Aber es waren lediglich die 16 anwesenden SPD-Abgeordneten, die die Tapferkeit und die Standfestigkeit aufbrachten, gegen das Ermächtigungsgesetz zu stimmen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Albert Roßhaupter, übernahm die Aufgabe, die Ablehnung in einer mutigen Rede zu begründen.

Für den bayerischen Parlamentarismus ist der 29. April 1933 im Endeffekt ein Tag der Schande. Wir bayerischen Sozialdemokraten erinnern mit großem Stolz und mit Bewunderung an diese unsere Vorgänger. Allein sie standen trotz des bereits allgegenwärtigen Nazi-Terrors zu ihrer demokratischen und freiheitlichen Überzeugung und stimmten mit ihrem „Nein“ gegen die sich ausbreitende Diktatur. Wir können uns sind Stolz darauf, der einzigen politischen Bewegung anzugehören, die in ihrer 150-jährigen Geschichte in Deutschland die Ideale von Freiheit und Demokratie nie verraten hat und daher nie den Namen wechseln musste. Wertorientierung, der Glaube an Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden und der Mut zu diesen Werten auch dann noch zu stehen, wenn Freiheit und Leben bedroht sind, das zeichnet sozialdemokratische Parteigeschichte aus, erklärte Vilsmeier, das gibt uns Kraft und Zuversicht für die Zukunft.

Nach dem Gedenken an den letzten parlamentarischen Widerstand zeichnete Dr. Vilsmeier die Geschichte des KZ-Lagers Ganacker-Erlau nach. Es war ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Im Außenlager Ganacker sollten die Häftlinge hauptsächlich den Fliegerhorst Landau-Ganacker ausbauen und instand halten, dazu wurde es Ende 1944, Anfang 1945 eingerichtet. Es war zunächst auf dem Gelände des Flugplatzes Landau-Ganacker untergebracht. Dort war ein Jagdgeschwader für den Einsatz der Me 262 stationiert. Nach heftigen Luftangriffen wurde das KZ-Außenlager in die Erlau, nahe Wallersdorf verlegt.

Es gab etwa 400 männliche Häftlinge, zumeist Juden aus ganz Europa. Sie vegetierten unter erbärmlichen Bedingungen in feuchten Erdlöchern, den „Finnen“, bei Regen und Schnee. Es war von den Lebensbedingungen her eines der allerhärtesten und berüchtigtsten Lager. Kurz bevor die Amerikaner Ende April 1945 in Landau ankamen, wurde das Lager geräumt und die noch lebenden Häftlinge wurden auf einen Todesmarsch Richtung Alpen getrieben.

Vom 2. März 1945 bis zum 23. April 1945 sind 138 Häftlinge im KZ-Außenlager umgekommen. Sie wurden gleich hinter dem Lager und einem nahen Waldstück westlich davon notdürftig verscharrt. Ein Teil der Häftlinge wurde dann bei dem nahe gelegenen Kirchlein St. Sebastian begraben und 1957 auf den KZ-Ehrenfriedhof Flossenbürg umgebettet.

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