Arbeitnehmerrechte, Umwelt und Wohnen im Focus

11. März 2020

DGF_200227
Die Landratskandidaten für Dingolfing-Landau (v.li.) Sascha Perkuhn (FDP), Karl Wolf (ÖDP), Christine Aigner (Grüne/B90), Werner Bumeder (CSU) und Dr. Bernd Vilsmeier (SPD) stellten sich den Fragen von BN und DGB.

Podiumsdiskussion des BN und DGB zur Landratswahl

Dingolfing.
Arbeitnehmerrechte, Klima und Umwelt und Wohnen standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion zur Landratswahl im Landkreis Dingolfing-Landau am 15. März. Alle 5 Landratskandidaten nahmen an der Diskussion veranstaltet vom Kreisverband Bund Naturschutz (BN) und des Kreisverbandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Dingolfinger Postbräu-Saal.

Der BN-Kreisvorsitzende Alois Aigner und DGB-Kreisvorsitzender Manuel Wagner begrüßten die vielen Zuhörer im voll besetzten Saal. Moderiert wurde die Diskussion durch die DGB-Sekretärin Anja Wessely aus Landshut. Den Fragen von BN, DGB und den Zuhörern stellten sich Christine Aigner (Grüne/B90), Werner Bumeder (CSU), Sascha Perkuhn (FDP), Dr. Bernd Vilsmeier (SPD) und Karl Wolf (ÖDP).

Vier Fragenkomplexe gaben die Veranstalter von BN und DGB den Kandidaten vor, die in der Diskussion beantwortet werden sollten. Die Fragenkomplexe beschäftigten sich mit den Themen
1) Tariftreue und Arbeitnehmerrechte,
2) Klimawandel,
3) Flächenverbrauch und bezahlbares Wohnen und
4) Artenschutz.

Dr. Bernd Vilsmeier von der SPD stellte seine Thesen zu diesen Themen vor:

zu 1) Tariftreue und Arbeitnehmerrechte:
Bayern bildet aktuell bei einer Tarifbindung von 53 Prozent der Beschäftigten das Schlusslicht der westdeutschen Bundesländer. In der Mehrzahl der westdeutschen Bundeslän¬der werden nach wie vor um die 60 Prozent aller Beschäftigten durch Tarifverträge erfasst.
Artikel 169 der Bay. Verfassung regelt: „Die Gesamtverein¬barungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden über das Arbeitsverhältnis sind für die Verbandsangehörigen verpflichtend und können, wenn es das Gesamtinteresse erfordert, für allgemein verbindlich erklärt werden." In Österreich beträgt die Tarifbindung dank der Pflichtmitgliedschaft der Arbeitgeber in den Wirtschaftskammern sogar 98 Prozent. Die Tarifbindung der Beschäftigten in Bayern reicht von 21 Prozent im Gastgewerbe bis zu 100 Pro¬zent in der öffentlichen Verwaltung. Je größer der Betrieb, desto höher im Schnitt die Tarifbindung. Regional variiert die Tarifbindung zwischen knapp 44 Prozent in Unterfranken und fast 61 Prozent in der Oberpfalz - Niederbayern ist vorletzter mit 46 Prozent.
Frauen haben mit 51 Prozent eine geringere Tarifbindung als Männer mit 55 Prozent. Die Tarifbin¬dung geringfügig Beschäftigter liegt mit knapp 32 Prozent deutlich unter der von Teilzeitbeschäftig¬ten mit knapp 48 Prozent und der von Vollzeitbeschäftigten mit gut 56 Prozent. Bei der Vergabe von Aufträgen durch die Kommunen wäre ein Bay. Tariftreue- und Vergabegesetz hilfreich (siehe SPD-Antrag im Landtag: LT-Drs.: 17/21033: mit Tariftreueerklärung, Einhaltung des Mindestlohns). Leider haben von den deutschen Bundesländern Bayern und Sachsen kein derartiges Gesetz.
In der öffentlichen Hand haben wir 100 % Tariftreue, nur der gewerkschaftliche Organisationsgrad fällt deutlich ab.
In den letzten Jahren wurden aber viele Gewerke in Servicegesellschaften ausgelagert, in den denen der TVöD nicht gilt. Ein Beispiel ist das Donau-Isar-Klinikum.
Deshalb würde ich als Landrat dafür kämpfen, dass alle Tätigkeiten, die zum öffentlichen Dienst gehören auch in diesem Tarif sind. In der öffentlichen Hand soll es grundsätzlich keine Zeit- oder Leiharbeit geben, sondern nur "ordentliche" Arbeitsverhältnisse.
Dazu benötigen die Kommunen natürlich die notwendigen Finanzmittel, also die Verbundquote muss auf wenigstens 15 % steigen.
Eine Herausforderungen für unseren Landkreis ist die in einer Studie ermittelte "Substituierungsquote" von > 50 %, d.h. der Arbeitsplätze, die von der Digitalisierung bedroht sind.
Die öffentliche Daseinsvorsorge (Wasser, Abwasser, Krankenhäuser, Altenheime etc.) muss in öffentlicher Hand bleiben und darf nicht irgendwelchen Profitinteressen geopfert werden.

zu 2) Klimawandel:
Energieeffizienz bei Gebäuden und des Fuhrpark in öffentlicher Hand sollen so zügig wie möglich auf nachhaltige Versorgung umgestellt werden.
Die Energieversorgung soll soweit wie klimaneutrale und vor Ort produziert/bezogen werden (Biomasse, alternat. Energieerzeugung, Bezug alternat. E., ) Der Landkreis bzw. zumindest die öffentlichen Einrichtungen sollen mittelfristig klimaneutral arbeiten (eher unwahrscheinlich 2030?, Legislatur läuft nur bis 2026!) Die Energieerzeugung sollte soweit wie möglich in lokalre Bürgerhand sein (Bürgerenergiegenossenschaften, Bürger-/Gemeindebeteiligung) Zur Beratung der Bürger braucht es "regionale Energieagenturen", um die Bürger entsprechend beraten zu können.

ÖPNV:
Die Grundlage für die eine gute Planung ist eine genaue Bedarfsanalyse: Woher und wohin bewegen sich die Menschen, zu welcher Zeit. Als schnelle Ergänzung zu den bestehenden Linien zu den Schulzeiten sollte als Ergänzung ein Rufbus/Rufsammeltaxisystem aufgebaut werden. Eine gute Vernetzung der verschiedenen Transportsysteme (Bahn, Bus, etc.) ist essentiell.
Eine Nutzung der digitalen Möglichkeiten (z.B. Apps) macht den ÖPNV einfacher und transparenter.
Das ÖPNV-System muss nutzerfreundliches sein (Fahrplan, Ticket, kostenlos für Schüler/Azubis)

Fahrrad/Fußwege:
Rad- und Fußwege müssen sicher sein. Dazu hat die SPD im Landkreis schon vor vielen Jahren den Radwegbau an den Kreisstraßen für die Kommunen vereinfacht (die Kommune erwirbt den Grund, der Kreis baut) Ein Radwegenetz muss dazu sinnvoll konzeptioniert sein und sich mit dem ÖPNV ergänzen.
Dazu brauchen wir sichere Stellplätze (-> E-Bikes), ergänzt mit Ladestationen

Moore:
Der Landkreis verfolgt eine Biodiversitätsstrategie, die bei den landkreiseigenen Flächen, bei den Straßenbegleitflächen und bei der kommunalen Grünordnung angewendet werden soll Da in die Eigentumsrechte nicht so einfach eingegriffen werden kann, sollte in einem ersten Schrift versucht werden, mehr Vernässung in den eigenen Flächen herzustellen. Eine Kooperation mit den Eigentümer/Pachtflächen ist unabdingbar (mögliche Förderungen über die 2. Säule eruieren) In den kürzlich beschlossenen Klimaschutzgesetzen im Bund und Freistaat mögliche Förderungen nutzen.

zu 3) Flächenverbrauch und bezahlbares Wohnen:
Dies ist auf den ersten Blick ein Widerspruch! Die Lockerung des Anbindegebots im LEP ist hier nicht hilfreich. Die Nutzung aussterbenden Ortskerne muss unbedingt mehr in den Focus (es gibt Beispiele: z.B. "jung kauft alt" NRW, Mehrgenerationen, seniorengerechte WGs) Eine Nachverdichtung in bestehenden Baugebieten muss möglich sein. Dazu muss geprüft werden, ob die vorhandene Infrastruktur ausreichend ist (Wasser, Abwasser, Energie, Nahversorgung) Kommunale Flächen nutzen für öffentlichen/sozialen Wohnungsbau (-> Grundsteuer C, BV Art. 161(2)), evtl. über Erbpacht, um den Kapitaleinsatz überschaubar zu halten. Fixe Grenzen sind hier eher hinderlich.

zu 4) Artenschutz:
Artenschutz ist Biotopschutz, dazu müssen die Flächen in öffentlicher Hand ihren Beitrag leisten: siehe Renaturierung der Isar, Gewässerrandstreifen etc. Öffentliche Flächen können für eine bessere Vernetzung der Biotope sorgen, dass damit sog. "Trittsteine" entstehen, die die Flora und Fauna bei ihren Wanderungen und Verbreitung unterstützen.

Teilen